Stadtratssitzung vom 23.11.2020 – Top 8: Livestream im Internet

veröffentlicht am 30.11.2020

Screenshot: O-Netz

Link: https://www.onetz.de/oberpfalz/vilseck/vilsecker-stadtrat-lehnt-uebertragung-seiner-sitzungen-ins-internet-ab-id3141598.html

 

Ergänzende Information zu o.g. Pressebericht:

Wortbeitrag des Fraktionsvorsitzenden Wilhelm Ertl

Stadtrat Wilhelm Ertl weist eingangs seiner Rede darauf hin, dass es im ganzen Landkreis AS keine einzige Kommune gibt, die einen Livestream macht. Die Gemeinde Rednitzhembach (bei Roth) sei Vorreiter beim Livestream gewesen. 2006 lief dort erstmals eine Sitzung des Gemeinderates als Livestream. Das Interesse ließ schnell nach. Nach drei Jahren seien die Übertragungen eingestellt worden. Ebenso habe erst kürzlich der Stadtrat von Pleystein (Lkr. NEW) mit 12:1 Stimmen einen Bürgerantrag dazu abgelehnt. In der Stadt Amberg sei sogar ein Antrag auf (nur) Tonübertragung der Sitzungen nicht angenommen worden.

Ertl geht zunächst auf die Kostenfrage ein. In Zeiten, wo Corona große Haushaltslöcher in die öffentlichen Kassen reißt, ist es nicht zu verantworten, rund 50.000 € dafür auszugeben. Wünschenswertes müsse hintenangestellt werden. Ertl verweist auf die gebotene Haushaltsdisziplin. Schon deshalb kann er dem Antrag der JU nicht zustimmen.

Ertl erläutert die weiteren Bedenken, die dagegensprechen. Zu einem sind dies die komplexen gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte. Ertl zitiert dazu aus dem 21. Vorlagebericht des Datenschutzbeauftragten:

Die betroffenen Personen sind darauf hinzuweisen, dass bei einer Übertragung im Internet Bild und Ton weltweit von einem unbegrenzten Kreis von Personen abgerufen, aufgezeichnet, unter Umständen verändert und ausgewertet werden können und die weitere Verwendung dieser Aufnahmen nicht abzusehen ist“.

Ertl teilt den Standpunkt des 1. Bürgermeisters, wonach Kommunalpolitiker im Umgang mit den Medien deutlich weniger erfahren sind als die Berufspolitiker. Niemand weiß, ob sich nicht einzelne Stadträte aus Unsicherheit über ihre mediale Wirkung weniger oft, oder gar nicht mehr zu Wort zu melden. Im Umkehrschluss ist nicht auszuschließen, dass die Zahl und der Umfang der sogenannten „Schaufensterreden“ zunimmt.

Beide Fälle gingen zu Lasten der Glaubwürdigkeit und der Beratungsqualität und letztendlich würde die Zusammenarbeit innerhalb des Gremiums dadurch erschwert. Als Folge dessen könnte sich möglicherweise die Vielfalt der Meinungen und die offene Diskussionskultur erheblich einschränken.

Ertl verweist darauf, dass sich die gesamte Verwaltung bereits ablehnend zu ihrer Einwilligung zum Livestream positioniert habe. Demzufolge würden sämtliche Wortbeiträge der Verwaltung bei einer Livestream-Übertragung ausgeblendet. Wie sich die Referenten und Fachplaner verhalten werden, ist nicht voraussehbar.

Jeder Bürger pocht zurecht auf seine Persönlichkeitsrechte („Nein zum gläsernen Bürger“). Auch als Stadtrat gibt man seine Rechte nicht auf. Transparenz sei wichtig, aber es habe da seine Grenzen, wo die individuellen Rechte des Einzelnen betroffen seien.

Ertl führt weiter aus, dass sich die gewünschte Transparenz auch mit anderen Mitteln, als dem eines Livestreams, herstellen lässt. Vieles dazu sei bereits auf den Weg gebracht worden. Ertl erinnert an den Antrag seiner Fraktion Einheitsblock-FW auf Einstellung der Protokolle der öffentlichen Stadtratssitzungen mitsamt Ausschüssen in die städtische Homepage. Dies ist bereits im Jahr 2009 umgesetzt worden. Zudem bietet die Stadt seit kurzem ein Bürgerinformationssystem auf ihrer Homepage an.

Die Inklusionsbeauftragte, Kollegin Lisa Weiß, hat den Einbau eines Aufzuges im Rathaus beantragt, um damit die momentan nicht gegebene Barrierefreiheit des Sitzungssaales ein Stück weit zu beseitigen. Ferner ruft Ertl seinen Vorschlag in Erinnerung, der lautete, dass erstmals im neuen Jahr 2021 eine Bürgerversammlung für Jugendliche stattfinden solle, was auf breite Zustimmung im Stadtrat gestoßen sei.

Zu diesem Vorschlag gibt es auch noch weiterreichende Überlegungen mit dem Ziel, die jungen Bürger in unserer Kommune mit in die Stadtpolitik einzubinden. Ertl will damit verdeutlichen, dass seine Fraktion stets großen Wert auf Transparenz der Stadtratsarbeit und Einbindung junger Menschen gelegt hat.

Abschließend betont Ertl, dass er die Absicht des Antragstellers, Kollege Jonas Dittrich, die da lautet „mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz“ bzw. auch das Interesse speziell von jungen Mitbürgern für die Stadtratsarbeit zu wecken, ausdrücklich begrüßt. Er hat dazu einen Alternativ-Vorschlag zu unterbreiten.


 

In einer weiteren Wortmeldung geht Ertl auf die Frage ein: Wie kann man die Bürgerbeteiligung und Transparenz noch optimieren? Dazu bringt er folgende Vorschläge ein:

1. Erweiterung des bestehenden Bürgerinformationssystems:

Künftig sollten dort nicht nur die Tagesordnungspunkte einer Stadtratssitzung, sondern auch die entscheidungsrelevanten Sitzungsvorlagen und Beschlussvorschlag mit dazu eingestellt werden. Und das schon im Vorfeld einer Sitzung, nicht erst danach! Damit könnte sich jeder interessierte Bürger schon ein paar Tage vor einer Sitzung genau informieren um was es gehe. Auf dem Bürger-Infoportal der Stadt Amberg sei dies bereits gängige Praxis.

In Ergänzung dazu wäre denkbar:

2. Erstellung einer sogenannten „Informationsfreiheitssatzung“.

Diese Satzung regelt u.a. das Recht der Bürger auf Akteneinsicht und Auskünfte an Bürger. Der Verein "Mehr Demokratie", der sich mit Transparency International und anderen Partnern zum "Bündnis Informationsfreiheit für Bayern" zusammengeschlossen hat berät Kommunen und stellt eine Mustersatzung zur Verfügung.

Ertl stellt seine Vorschläge mit Hilfe des Beamers am großen Display optisch dar und stellte dazu die passenden Links zur Homepage der Stadt Amberg (Bürger-Infoportal) dar. Nach Ertls Vorstellungen soll sein Vorschlag zunächst im Finanz- und Hauptausschuss zusammen mit der Verwaltung auf Umsetzung geprüft und beraten werden und dann dem Stadtrat eine Beschlussempfehlung vorgelegt werden. Diese Vorgehensweise stieß auf breite Zustimmung im Gremium.

Wortbeitrag des 2. Bürgermeisters Thorsten Grädler

Grädler äußert sich zum Ende der Debatte. „Er kann sich gut vorstellen, dass mit einem Live-Stream der Stadtratssitzungen wieder mehr Bürgerinnen und Bürger für die Stadtratsarbeit interessieren, denn die Anzahl der Zuhörer hat die letzten Jahre deutlich abgenommen. Deshalb steht Grädler dem Thema auch positiv gegenüber. Es darf jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sich Interessierte dann ganze Stadtratssitzungen anschauen, sondern sehr selektiv sich die Themen und Tagesordnungspunkte rausgreifen, die sie interessieren.

Die vorliegenden Zahlen der Stadt Burglengenfeld aus dem Jahr 2017 zeigen, dass ungefähr ein Prozent der Bevölkerung deren Stadtratssitzungen ganz oder in Teilen live verfolgen. Das wären für Vilseck rund 60 Personen. Deshalb sind die Kosten mit 50.000 Euro, im Verhältnis gesehen, eine stolze Summe. Die Verwaltung gab bereits bekannt, dass sie geschlossen mit einer Übertragung ihrer Redebeiträge nicht einverstanden ist. Diese müssten dann ausgeblendet werden.

Für die Übertragung sieht er es nur dann als sinnvoll an, wenn die Mehrheit, am besten alle Stadtratsmitglieder damit einverstanden sind, dass ihre Beiträge übertragen werden. Wenn ein Teil der Stadträte dem nicht zustimmt, ergibt es keinen Sinn die Sitzungen live zu übertragen, da dann immer nur Ausschnitte gezeigt würden und der Zusammenhang fehle. Er brachte den Vergleich, dass kaum jemand sich einen Film anschaut, bei dem übertragen betrachtet, jede zweite Szene ausgeblendet ist. Das würde keine Akzeptanz finden. Davon werde er auch abhängig machen, ob er auf Grund der nicht unerheblichen Kosten, dem Antrag zustimmen oder ablehnen würde.

Abstimmung dazu:

Bei der dann abgefragten „positiven Meinungsbekundung“ (es wurde dahingehend abgefragt, wer persönlich seine Redebeiträge übertragen lassen wolle) erklären zehn (10) von 21 Ratsmitgliedern, sie könnten sich das grundsätzlich vorstellen. (Einheitsblock-FW: Grädler und Kollegin Lisa Weiß stimmen dem positiv zu).

Nachdem dadurch klar war, dass bei Ausschluss von zehn Stadträten plus 1. Bürgermeister plus Verwaltung ein Livestream im Grunde sinnlos wäre, geht die abschließende Abstimmung über den Antrag der JU klar mit 8:13 dagegen aus.

Wie geht es weiter?

Stadtrat Wilhelm Ertl hat inzwischen formell beantragt, dass seine Vorschläge zur Optimierung der Transparenz und Bürgerteilhabe zunächst im Haupt- und Finanzausschuss vorberaten werden und der Ausschuss dann eine Beschlussempfehlung an den Stadtrat ausspricht. 

 


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